Deine Freundin postet jeden Tag ein Bild ihres verstorbenen Kindes im WhatsApp Status. Du machst dir Sorgen. Sie muss endlich loslassen.
Ein Bekannter erzählt bei jedem Treffen von seiner Frau, welche vor über acht Jahren an einem Autounfall gestorben ist. Er ist einfach immer noch nicht darüber hinweg.
Beim Familienfest erzählt deine Cousine wieder von ihrem totgeborenen Kind. Es hat doch gar nicht richtig gelebt. Du wünscht ihr, dass sie bald wieder schwanger wird.
Beim gemeinsamen Grillen entdeckst du im Gang deiner Nachbarn einen Platz mit einem Foto der verstorbenen Urgroßmutter. Daneben brennt eine Kerze. Auf einer Karte steht „…gestorben am 04. März 1994.“ Du schüttelst den Kopf und läufst weiter.
Deine Arbeitskollegin ist Witwe. Das erste Weihnachten steht bevor. Jedes Jahr gab es traditionell Fondue zu zweit. Sie deckt den Tisch für zwei Personen und genießt das leckere Essen alleine. Sie erzählt es dir. Du rätst ihr zum Psychologen zu gehen.
All diese Menschen machen eines: Sie erinnern sich, geben dem Menschen einen Platz in ihren Herzen und bauen eine innere Verbindung auf. Von außen hören sie Ratschläge, die sie nicht hören wollen. Sie stoßen auf Unverständnis. Keiner geht auf ihre Trauer ein. Sie sind alleine damit.
Noch immer gibt es in der Trauerverarbeitung den Grundsatz: Du musst loslassen. Doch, was muss der Trauernde loslassen? Einen Menschen, den er geliebt hat? Trauer, welche länger als ein Jahr andauert, gilt als „besorgniserregend“. Doch, der Verstorbene ist weg. Er ist immer noch tot. Egal ob es fünf Tage, 3 oder 25 Jahre sind. Die Erinnerung bleibt und oft auch der Schmerz.
Heute geht es oft vielmehr darum eine innere Verbindung zum Verstorbenen zu schaffen. Die Beziehung weiterleben. Das heißt, dass ich mich mit dem Menschen, der mir so sehr fehlt – verbinde. Zum Beispiel in Form einer Imagination. Es kann auch der Brief sein, den ich an den Verstorbenen schreibe, anschließend verbrenne ich ihn und gebe die Asche in die Erde am Grab. Oder eben die Erzählung, die Kerze im Flur oder das gemeinsame Essen alleine.
Die oben genannten Beispiele sind nicht selten. Sie sind gut, so wie sie sind. Trauernde wünschen sich, dass ihr Umfeld auf all diese Handlungen eingeht und darauf reagiert. Zum Beispiel mit lieben Worten oder einfach einem offenen Ohr. Sie wollen gehört werden. Sie wollen Ernst genommen werden. Sie wollen mit ihrem Schmerz nicht alleine sein!