“Anna, meine Mutter hat Krebs und möchte keine Chemotherapie mehr machen. Ich kann nicht mehr.”
…und plötzlich ist der Herbst nicht mehr voller bunter Farben sondern grau in grau. Wenn eine Tochter ihre krebskranke Mutter aufgeben sieht.
Fast zwei Stunden habe ich heute Morgen mit Sara telefoniert. Wir kennen uns von früher. Sie hatte das Bedürfnis mit jemand Außenstehenden über ihre Situation zu sprechen. In ihren Augen war ich die Richtige dafür. Puh. Anfangs dachte ich “Wie soll ich ihr da helfen können?”, doch im Laufe des Gesprächs hat sich alles von selbst gegeben. Folgende Situation wurde mir geschildert: Saras Mutter hatte einen Darmkrebs, welcher aktuell geheilt ist. Leider hat er in die Lunge gestreut. Die Chemotherapien verträgt die Erkrankte sehr gut. Die Ärzte sagen ihr, dass sie diesen Krebs nicht besiegen wird aber die Chance auf viele weitere Jahre mit Lebensqualität besteht, sofern sie sich jährlich der Chemotherapie unterzieht. Die Mutter möchte nun auf Alternativmedizin zurückgreifen und keine weiteren Chemos bekommen. Der Schock, die Wut, die Verzweiflung und die Todesangst liegen bei Sara tief. Jeder Besuch endet im Streit. “Du willst, dass ich mich vergifte.”, wirft ihr die Mutter vor. Sara fängt immer wieder an die Mutter von den weiteren Chemotherapien zu überzeugen. Eine Zerreißprobe für die ganze Familie.
Was rate ich da nur? Kann ich wirklich sagen, dass sie die Entscheidung ihrer Mutter akzeptieren muss – auch wenn der aggressive Krebs zu explodieren droht? Ein Dilemma. Ich rate ihr die Art der Kommunikation zu überdenken. “Sende Ich-Botschaften und geh in die Gefühlsebene. Du-Botschaften wirken oft wie ein Angriff.” appelliere ich an sie. Denn “Ich mache mir Sorgen um dich. Ich liebe dich und will dich nicht verlieren.” klingt doch viel besser als “Du wirst sterben wenn du keine Chemo machst.”, oder? Außerdem ist es für alle Parteien anstrengend, wenn ständig negative Stimmung in dieser schlimmen Lage herrscht. Gefühle zu zeigen und kommunizieren ist so wichtig. Wann hat die Menschheit das eigentlich verlernt? Wir dürfen lachen und auch weinen, beides hat seine Berechtigung.
“Halte mich auf dem Laufenden und melde dich, wenn du nochmal telefonieren möchtest.” Zufrieden haben wir beide aufgelegt.